Praxisbeispiel: Dachdecker mit Drohne und Datenbrille

Die Dachdeckerei Huber in Neustadt-Glewe hat das traditionelle Dachdeckerhandwerk um einen innovativen Aspekt erweitert: Statt aufwendigem Aufmaß fotografiert eine Drohne das Dach aus der Luft. Das Ergebnis sind millimetergenaue Daten. Doch damit nicht genug: Für den Einbau von Photovoltaik-Anlagen sind in diesem Dachdeckerbetrieb künftig Datenbrillen im Einsatz.

Wie wir im Gespräch mit Geschäftsführer Steffen Huber erfahren, ist inzwischen nahezu der ganze Betrieb digitalisiert.

Für Ihre innovative Idee, im Dachdeckerhandwerk Drohnen für das Aufmaß einzusetzen, haben Sie den VR-Innovationspreis Handwerk 2018 erhalten. Wie kann man sich die Arbeit mit der Drohne in diesem Gewerk konkret vorstellen?

Steffen Huber: Ein Dach ganz genau auszumessen ist in der Regel sehr aufwendig und zeitintensiv. Dazu kommt, dass es nie wirklich 100 Prozent genau ist, da die Maße anhand von Plänen (sofern solche vorliegen) und Schätzungen, teilweise auch durch Abzählen von einzelnen Dachziegeln, genommen werden. Dieses Problem lösen wir mit der Drohnentechnik. Wir fotografieren das Dach aus der Luft und erhalten dank einer speziellen Aufmaßsoftware 100-prozentig valide Werte. So ersparen wir uns Mehrfachmessungen und viel Zeit.

Die Daten, die wir so ermitteln, werden gespeichert. Je nach Bedarf können wir die Fotos auf den Millimeter genau zoomen, so dass wir jeden Dachziegel sehen. Ein weiterer Vorteil der Drohne: Wir können sie beispielsweise auch für Service-Einsätze verwenden, etwa bei Sturmschäden.

Wie kamen Sie auf die Idee, diese innovative Technik zu nutzen?

Huber: Ideen entstehen oft aus Problemsituationen. Wir haben gesehen, wie aufwendig das herkömmliche Aufmaß-Procedere ist und haben uns schon vor sechs Jahren, als die Drohnentechnologie noch in den Kinderschuhen steckte, dem Thema angenommen. Mittlerweile wird die Technologie ständig smarter und genauer.

Wir sparen dadurch enorm viel Zeit. Wenn wir vorher 5 Tage für ein Dach gebraucht haben, erledigen wir das heute in 2 Tagen.

Wie sind Ihre Erfahrungen? Hat es sich gelohnt?

Huber: Absolut. Wir können uns eine Arbeit ohne die Drohne nicht mehr vorstellen. Wir sparen dadurch enorm viel Zeit. Wenn wir vorher 5 Tage für ein Dach gebraucht haben, erledigen wir das heute in 2 Tagen.

Und die Kosten?

Huber: Dadurch, dass wir jetzt viel schneller und präziser arbeiten können, haben wir das Geld, das wir in das Projekt gesteckt haben, schon drei Mal wieder verdient. Das ist ja auch der Sinn der Digitalisierung: dass sie Prozesse verschlankt und letzten Endes Kosten senkt.

In welchem Zeitrahmen haben Sie das Projekt realisiert?

Huber: Inklusive Einlernzeit etwa drei Monate. Die Zeit, die wir dafür gebraucht haben, die Technologie optimal nutzen zu können, war dabei der größte Zeitinvest. Ich halte das für elementar wichtig. Eine neue Technologie muss immer wieder weiterbildend geschult werden. Es ist nicht möglich, das während der Arbeitszeit irgendwie zu lernen. Schulungen sind bei uns das A und O bei allen Technologien, die wir einsetzen.

Wie ist das Feedback Ihrer Mitarbeiter?

Huber: Unsere Mitarbeiter sind sehr froh, dass sie diese Technologie nutzen können. Ihre Arbeit wird dadurch um einiges leichter.

Wie reagieren Ihre Kunden?

Huber: Unsere Kunden kriegen von der Arbeit mit der Drohne eigentlich gar nichts mit. Sie profitieren allerdings von besseren Preisen, weil weniger Arbeitsstunden anfallen.

Hat sich die Technologie im Dachdeckerhandwerk schon durchgesetzt?

Huber: Leider nein. Das machen bisher nur sehr wenige Firmen. Für den Einsatz einer Drohne braucht man einen Drohnenführerschein und eine Haftpflichtversicherung. Das ist alles. Aber ich stelle immer wieder fest, dass es im Handwerk in Sachen Digitalisierung nach wie vor nur sehr langsam vorangeht. Viele liegen immer noch weit zurück. Bevor sich Betriebe eine Drohne anschaffen, müssten sich einige erst einmal Gedanken über ein professionelles Kalkulationsprogramm machen. Ich bekomme immer wieder handgeschriebene Angebote. Ich finde, das geht gar nicht.

Die Daten liegen in einer riesigen Datenbank und wenn zum Beispiel ein Kundenanruf kommt, müssen wir nicht lange suchen, sondern haben sämtliche Vorgänge mit einem Klick vorliegen und können entsprechend schnell und auf einer verlässlichen Datengrundlage reagieren.

Die Drohne ist nicht das einzige, womit sie in Ihrem Betrieb Prozesse vereinfachen. Welche Bereiche haben Sie noch digitalisiert?

Huber: Wir haben unser Rechnungswesen und unser Kundenmanagement radikal digitalisiert. Rechnungen gehen bei uns nur noch per Mail an den Kunden. Das Programm liest automatisch Rechnungen ein und bucht sie auf den entsprechenden Kunden. Aus diesem Programm gehen die Daten direkt ans Steuerbüro und liegen auch bei jedem Kundenkontakt 1:1 vor. So haben wir es geschafft, uns von einem Leitzordner pro Baustelle auf einen kleinen Hängeordner mit Schriftstücken zu reduzieren. Und das auch nur deshalb, weil von Amts wegen manche Dokumente mit Originalunterschriften vorliegen müssen. So gesehen könnten wir eigentlich komplett auf Papier verzichten. Die Daten liegen in einer riesigen Datenbank und wenn zum Beispiel ein Kundenanruf kommt, müssen wir nicht lange suchen, sondern haben sämtliche Vorgänge mit einem Klick vorliegen und können entsprechend schnell und auf einer verlässlichen Datengrundlage reagieren.

Wie sieht es mit digitaler Zeiterfassung und mobiler Baustellendokumentation aus?

Huber: Auch hier sind wir komplett digital. Wir nutzen eine Branchensoftware. Um sie herum haben wir unzählige Schnittstellen gebildet, an die wir Programme und Apps, wie zum Beispiel die mobile Zeiterfassung oder auch die digitale Fotodokumentation, andocken können. Eine eierlegende Wollmilchsau gibt es nach unserer Erfahrung nicht. Aber es gibt sehr viele wirklich gute Anwendungen, die man mit einem kompetenten Softwarehaus an der Seite wunderbar implizieren kann.

Wir arbeiten nur noch mit Lieferanten, die wir auch digital anbinden können. Alles andere ist viel zu umständlich. Wenn meine Mitarbeiter wegen jeder Schraube, die nachbestellt werden muss, zu mir kommen müssen, verlieren wir nur Zeit.

Das setzt allerdings voraus, dass auch Ihre Lieferanten digitale Tools nutzen …

Huber: Wir arbeiten nur noch mit Lieferanten, die wir auch digital anbinden können. Alles andere ist viel zu umständlich. Wenn meine Mitarbeiter wegen jeder Schraube, die nachbestellt werden muss, zu mir kommen müssen, verlieren wir nur Zeit. Wir haben ein System, das es dem Mitarbeiter erlaubt, Material selbst zu bestellen. Das läuft alles digital. Ich gebe dann nur noch kurz das OK via App. Die Mitarbeiter sind somit entlastet und ich bin es auch. Außerdem kann der Mitarbeiter sich das Material aussuchen, mit dem er am liebsten arbeitet.

Wie schaffen Sie es, Ihre Mitarbeiter für neue Technologien zu begeistern?

Huber: Unsere Mitarbeiter sind sehr froh und dankbar, dass wir mit modernen Werkzeugen und Tools arbeiten. Da braucht es gar nicht viel Überzeugungsarbeit. Sie wissen, dass sie anständig geschult werden und setzen die Anwendungen und Technologien gerne ein. Es arbeitet sich doch auch viel besser auf der Baustelle, wenn man gut vernetzt ist, wenn man mit modernen Technologien arbeitet und die Arbeit auf validen Daten basiert.

Stichwort Vernetzung. Wie kommunizieren Sie mit Ihren Mitarbeitern im Außendienst?

Huber: Wir haben einen Mitarbeiter-Chat (nicht WhatsApp!), mit dem wir uns alle untereinander austauschen. Das klappt wunderbar. Bevor die Leute anfangen zu arbeiten, schauen sie morgens noch mal in den Chat, um zu sehen, ob es Planänderungen oder zusätzliche wichtige Informationen gibt. So geht einem nichts durch und alle sind immer Up-to-date.

Wir haben zufriedene Mitarbeiter, keine permanente Fluktuation und Gedankenfreiheit am Abend für alle, weil Dinge digital erledigt werden, in dem Moment, in dem sie auflaufen. Man denkt am Abend nicht ständig, was noch alles zu tun ist oder ob man etwas vergessen hat.

Was haben Sie durch Ihre Maßnahmen in Ihrem Betrieb konkret verbessern können?

Huber: Neben einer enormen Zeitoptimierung und viel mehr Effizienz in sämtlichen Prozessen unseres Unternehmens sind es zwei wichtige Aspekte, die wir ganz großschreiben dürfen. Das eine ist die Kundenkommunikation: Bei uns geht immer jemand ans Telefon, weil durch unsere Software Probleme und Anfragen schnell gelöst werden können und weil wir immer gleich wissen, worum es geht. Unzählige Rückrufe und das Durchsuchen von Aktenbergen kennen wir nicht mehr. Wir können auch kurzfristig auf Kundenwünsche reagieren und diese per Mitarbeiter-Chat sofort an den Mitarbeiter auf der Baustelle durchgeben. Das zweite ist: Wir haben zufriedene Mitarbeiter, keine permanente Fluktuation und Gedankenfreiheit am Abend für alle, weil Dinge digital erledigt werden, in dem Moment, in dem sie auflaufen. Man denkt am Abend nicht ständig, was noch alles zu tun ist oder ob man etwas vergessen hat.

Erübrigt sich die Frage, welchen Stellenwert Digitalisierung generell in Ihrem Unternehmen hat …

Huber: Wir versuchen, innovativ zu sein, wo es geht. Aber nicht, um der Innovation willen oder um uns eine goldene Nase zu verdienen, sondern weil wir wissen, dass wir nur so effizient und zukunftsfähig sind und auch noch Spaß an der Arbeit haben. Wir haben digitale Werkzeuge im Einsatz, wie zum Beispiel einen digitalen Schraubendreher, der programmiert werden kann, wir arbeiten mit Schweißrobotern und wir stellen einen eigenen Hochkran, damit weniger Dachziegel geschleppt werden müssen.

Was ist Ihr nächstes Zukunftsprojekt?

Huber: Wir sind gerade dabei, für den Einbau von Photovoltaik-Anlagen Datenbrillen einzuführen. Der Mitarbeiter sieht dann Schaltpläne, Koordinaten und Tipps etc. direkt in der Brille und hat beim Arbeiten die Hände frei.

Können Sie unseren Lesern ein paar Tipps geben, wie sie ihre Digitalisierung optimal umsetzen?

Huber: Gerne. Wenn wir gerade bei Datenbrillen sind: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es oft besser ist, sich Anwendungen, die einem nützlich sein könnten, vor Ort in einem Betrieb einmal live anzuschauen. So sieht man am besten, was Sache ist und ob man das so auch auf den eigenen Betrieb anpassen kann. Wichtig ist auch, im Vorfeld ganz klar zu definieren, was man überhaupt braucht, bzw. was man will. Ermitteln, wo ganz konkret der Bedarf ist. Und dann: Die Mitarbeiter mit den entsprechenden Kompetenzen ausstatten. Denn das höchste Gut eines Handwerksbetriebes sind seine Mitarbeiter. Das bedeutet auch, in der Führungsebene immer menschlich und fair zu handeln.

Sind Sie auch auf Schwierigkeiten gestoßen?

Huber: Definitiv ja. Wir sind auch gescheitert und konnten den einen oder anderen digitalen Weg nicht so gehen, wie wir dachten. In solchen Fällen muss man den Mut haben, sich das einzugestehen und einfach weitermachen. Meistens klappt es dann beim zweiten Anlauf. Auf keinen Fall aufgeben! Digitalisierung ist ein Prozess des stetigen Wandels. Wichtig ist, immer dranzubleiben und immer wieder neu zu denken und wenn es nur die Entwicklung eines Formulars ist oder ein Haken mehr in einem Programm.

Das Interview führte Ariane Lindemann.

https://www.dachdeckermeister-huber.de/

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